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Corona beflügelt jungen Azaleenerzeuger

©VILT / Jerom Rozendaal

Dem Lockdown im März 2020 ist Drieghe Azalea mit Gelassenheit begegnet. Die Pflanzen konnten im Kühlhaus untergebracht werden, um die Blüte zu hemmen. Gleichzeitig wurde der Verkauf an Privatkunden im Handumdrehen  angekurbelt. Alles in allem hat sich das Corona-Jahr positiv entwickelt. Die Erzeuger sehen der Zukunft optimistisch entgegen, zumal der Azaleenmarkt sich im Aufwind befindet.

Sind Ellen Mallems und Jeron Drieghe von Drieghe Azalea die richtige Adresse, wenn es um  einen Kurs im Krisenmanagement für Zierpflanzen geht?   Das Ehepaar sieht sich selbst nicht in dieser Rolle. „Wir haben getan, was Sinn macht und würden es erneut tun. Allerdings hatten wir das große Glück, dass ein Großteil unserer Produktion bereits im März verkauft war“, sagt Jeroen Drieghe.

Wie bei vielen Blumenerzeugern schlug Corona wie eine Bombe ein. „Unmittelbar nach dem Lockdown tasteten wir völlig im Dunkeln. Es war ein Novum und wir wussten nicht, was wir tun sollten“, sagt Drieghe, der das Unternehmen 2008 von seinem Vater übernahm. Als sich die Situation  nach einer Woche beruhigt hatte, ergriff der Erzeuger Maßnahmen. Da der Absatz mit der Schließung der Geschäfte und der Grenzen zum Erliegen kam, beschloss er, die Blüte der Azaleen zu verlangsamen.



Im März, zu Beginn des Lockdowns, war das Kühlhaus mit Azaleen-Rohware gefüllt, die dort in der Regel sechs Wochen verbleibt

Blüteprozess hemmen

Die Blüte zu hemmen, ist nicht unüblich. Tatsächlich ist dies ein Teil des Einkommensmodells der Azaleenerzeuger. Durch die Verbringung der Pflanzen in den Kühlraum werden sie in eine Art Winterschlaf versetzt. Die umgekehrte Strategie – die sogenannte Forcierung - besteht darin, dafür zu sorgen, dass Azaleen durch künstliche Aufwärmung und Beleuchtung aus ihrem natürlichen Winterschlaf erwachen. Dank beider Methoden und durch den Einsatz früh und spät blühender Sorten können von August bis Mai blühende Pflanzen erzeugt werden.

„Pflanzen können bis zu zwei Monate im Kühlhaus bleiben“, sagt Jeroen, der daher auch nicht in Panik geriet. „Bei uns gab es lediglich Handlungsbedarf für die Azaleen, die gerade zu blühen begannen.  In diesem Stadium müssen die Pflanzen innerhalb von zwei Wochen verkauft werden, sonst landen sie im Container.“ Ellen fand eine Lösung für dieses akute Geschäftsproblem: „Wir haben den Verkauf an Privatkunden angekurbelt und verstärkt auf Hauszustellungen gesetzt“, sagt sie.


Ellen ist für den Verkauf an Privatkunden verantwortlich und hat während des ersten Lockdowns Hauszustellungen organisiert

Explosion des Verkaufs an Privatkunden

Ellen hatte bereits zwei Jahre zuvor eine Website für das Unternehmen erstellt, sodass die Umstellung auf private Online-Verkäufe jetzt reibungslos verlief. „Ich habe viel auf Facebook geworben, um neue Kunden zu erreichen. Facebook war Teil meines Lebens geworden. Die Nachrichten wurden massenhaft geteilt und so wurde auch unser Online-Vertriebskanal immer bekannter. Zudem hat die Berichterstattung im belgischen Sender PlattelandsTV zu einer größeren Markenbekanntheit beigetragen.“

Ellen hat im März und April mehr als 300 Adressen in Ostflandern angesteuert. „Es gab eine enorme Solidarität unter den Menschen: sie wollten sich gegenseitig mit Blumen Mut machen. Der Blumenversand im Kundenauftrag an Dritte florierte.  Auch haben sich zahlreiche Unternehmen während des Lockdowns mit Blumen bei ihren Mitarbeitern bedankt.“

Insbesondere Ellen blickt zufrieden auf diese geschäftigen Zeiten zurück. „Es war eine sehr hektische Zeit. Der Verkauf in der kurzen Vertriebskette und die Hauszustellungen waren sehr zeitaufwendig und erforderten viel Vorbereitung, aber es hat viel Spaß gemacht. “Zur Abwechslung wurden die Rollen im Unternehmen einmal vertauscht: Während Ellen unterwegs war, um Blumen zu liefern, war Jeroen bei den Kindern zu Hause. „Sobald die Pflanzen im Kühlhaus waren, gab es nicht mehr viel zu tun“, erklärt er.


Jeroen übernahm das Unternehmen 2008 von seinem Vater Marc, der noch täglich im Unternehmen aushilft

Corona als Wendepunkt

Im Dezember 2020 kehrt wieder ein normaler Rhythmus bei Drieghe Azaleen ein. Die Verkäufe an Privatpersonen (derzeit wegen Corona auf Bestellung) sind wieder rückläufig, obwohl das Volumen sicherlich höher ist, als vor der Pandemie. Für einige Kunden ist es eine Hürde, eine Bestellung aufzugeben oder einen Termin zu vereinbaren. Aber in ein paar Monaten, wenn die Corona-Maßnahmen hoffentlich zurückgefahren werden, möchte Ellen die monatlichen Hauslieferungen wieder aufnehmen.

Trotz – oder vielleicht dank – der Coronakrise kann das Paar zufrieden auf die Saison 2019–2020 zurückblicken. Sechs Wochen nach dem Lockdown lief das Geschäft wieder an und zwei Wochen später wurden alle Pflanzen aus dem Kühlhaus verkauft. „Alles in allem haben wir das Jahr gut abgeschlossen, vergleichbar mit dem Vorjahr“, sagt Drieghe.

Das Ehepaar ist der Auffassung, dass Corona einen Wendepunkt für die Azalee bedeuten könnte. „Die Pflanze hatte insbesondere in Belgien ein eher altmodisches Image, aber Corona hat das Interesse wieder geweckt“, so Mallems. „Ich habe Fotos von Kunden bekommen, die völlig von den sich öffnenden Knospen fasziniert waren. Aufgrund von Corona hatten die Menschen Zeit, Pflanzen zu genießen, was unter normalen Umständen selten möglich ist.“


Das Foliengewächshaus wurde vor drei Jahren errichtet. Die Aufnahme zeigt die Pflanzen für die nächste Saison 2021–2022

Comeback Azalee

Laut Drieghe machte sich die Erholung des Azaleenmarktes bereits im vergangenen Jahr bemerkbar. Die Region um Gent war einst das Epizentrum der blühenden Azaleenkultur in Europa. Eigentlich ist das noch immer so, aber der Verkauf von Azaleenpflanzen ist stark zurückgegangen. In den 80er Jahren entfielen auf den europäischen Markt noch 90 Millionen Pflanzen; mehr als die Hälfte davon stammte aus Gent und Umgebung. Die europäische Produktion wird jetzt auf 25 bis 30 Millionen geschätzt mit Ostflandern als Hauptlieferant. Nach offiziellen Angaben ist die Zahl der Azaleenerzeuger in Belgien von 481 im Jahr 1980 auf 133 im Jahr 2010 und 74 im Jahr 2018 gesunken.

Da Drieghe Azalea nicht mit externen Mitarbeitern arbeitet, hat das Unternehmen geringere Kosten, sodass es auch die Krise verwinden konnte, erzählt der Geschäftsführer. Er stellt auch fest, dass immer mehr Azaleenerzeuger aufhören oder auf eine andere Kultur umsteigen. „Allein im Jahr 2020 bedeutet dies, dass die Produktion um zehn Prozent geringer sein wird, als im Vorjahr“, sagt er. Aufgrund des starken Rückgangs des Angebots ist der Sektor plötzlich zu einem Nachfragemarkt avanciert, was wiederum zu besseren  Preisen führt. Auch die Forschungseinrichtung ILVO stellte schon früher fest, dass die Krise in der Azaleenkultur offenbar zu Ende ist.

Linde de Lo

Das Ehepaar blickt optimistisch in die Zukunft. Nicht ohne Grund wurde vor drei Jahren in ein Foliengewächshaus von 8000 m² investiert, in dem sich jetzt die Kulturpflanzen für die nächste Saison befinden. „Im Foliengewächshaus gibt es eine bessere Belüftung, sodass die Pflanzen besser wachsen. Früher befanden sich die Pflanzen an derselben Stelle im Freien, aber bei Nachtfrost mussten sie untergestellt werden. Das war nicht praktisch“, sagt Drieghe. Obwohl es sich bei Azaleen um eine Kaltkultur handelt, vertragen die Zimmerpflanzen keinen Frost.

Jeroen und Ellen haben etwa 30 Azaleensorten unter 2,5 Hektar Glas, damit sie die Blütezeit  optimal streuen können. Ein beliebter Kultivar ist Linde de Lo, benannt nach der Tochter des Ehepaars. Die Pflanze, die zu Weihnachten blüht (dann hat Linde auch Geburtstag), ist das Resultat des Veredelungshobbys von Vater Marc und Jeroen. „20 Prozent unserer Azaleen bestehen aus eigenen Sorten, die auch von anderen Erzeugern angebaut werden“, sagt Jeroen.


Unter der Folie herrscht ein optimales Wachstumsklima für Azaleenstecklinge

Recycling von Abwasser

Der nächste große Schritt des Unternehmens ist die Installation einer Wasserrecyclinganlage, die für das nächste Jahr geplant ist. „Hier werden die Rückstände herausgefiltert, damit wir das Wasser wiederverwenden und Abfallstoffe nachhaltig entsorgen können“, erklärt Drieghe. Aktuell werden Abwässer noch auf das Ackerland ausgebracht. Das ist derzeit noch gesetzlich zulässig. "Aber vielleicht ist das in sechs Jahren nicht mehr der Fall", sagt der Erzeuger, der bereits jetzt die Weichen für die Zukunft stellt.


Jeroen und Ellen blicken optimistisch in die Zukunft

Während unseres Besuchs wurde der erste Abschnitt des Gewächshauses mit Stecklingen gefüllt. Nach dem Stecken werden die Pflanzen mit Folie abgedeckt, damit sie Wärme und Feuchtigkeit besser speichern und schneller Wurzeln schlagen können. Jeroen erklärt, dass er jedes Jahr fast das gleiche Anbauprogramm verwendet und die gleichen Sorten in den gleichen Mengen produziert. „Unsere Kunden wissen, dass sie diese Produkte bei uns finden.“

Die einzige Negativauswirkung der Coronakrise, die Drieghe Azalea bisher gespürt hat, ist das Ausbleiben frühzeitiger Verträge. „Einige Händler haben ein Jahr im Voraus eine bestimmte Charge für einen bestimmten Zeitraum vorbestellt. Aus Angst vor Corona sind diese Bestellungen ausgeblieben.“ Der Erzeuger geht jedoch davon aus, dass seine Pflanzen auch im nächsten Jahr wieder den Weg zum Verbraucher finden werden. „Was könnte schlimmer sein als dieser erste Lockdown?“, fragt er sich.